Denklatenz

Das Magazin

Stereotypen in der Filmbranche

Devot war gestern

Ich bin eine in Berlin lebende deutsch-indonesische Schauspielerin aus Schleswig-Holstein. Meine Erfahrung in der Filmbranche zeigt, wie die Situation von Schauspielerinnen und Schauspielern ist, die nicht dem Aussehen des klassischen Nordeuropäers entsprechen.

von Evi Rejeki

Renommierte Casting-Agenturen, die Preise gewonnen haben, rufen an und möchten mich zum Vorsprechen einladen. Ich solle die Rolle einer Putzfrau spielen, bitte in der Ficki-Ficki Sprache. Filmstudenten aus dem Ausland, die an einer der besten Filmschulen Deutschlands studieren, bieten mir in ihrem schlechten Deutsch Klischeerollen an. Und ich denke mir, spielt sie doch selber! Ihr könnt viel besser schlechtes Deutsch sprechen als ich.

Meine ehemalige Agentur wäre stinksauer gewesen, wenn ich Castings und Einladungen für stereotypische Rollen abgelehnt hätte. So etwas mache man nicht, erst recht nicht bei namhaften Regisseuren und Castern.

Ich will in Zukunft die Rolle einer mächtigen Rechtsanwältin, einer wortkargen Kommissarin oder einer korrupten Politikerin spielen. Devot war gestern. Zum ersten Mal habe ich deshalb bei einer renommierten Casterin auf gut Deutsch dankend abgelehnt, als sie mir eine Klischeerolle anbieten wollte. Was ist mir dadurch entgangen? Eine Gage? Wichtige Kontakte? Meine Karriere? Möglicherweise. Aber immerhin wird sie mich nicht noch einmal wegen so eines Angebots anrufen.

Fixierungen auf die Hautfarbe und eingefahrene Denkmuster sind immer noch in den Köpfen der Caster, Regisseure, Redakteure und Drehbuchautoren verankert. Das zeigen die Beispiele von Pegah Ferydon und Hilmi Sözer. Pegah Ferydon ist eine deutsche Schauspielerin iranischer Herkunft und war unter anderem in Zweiohrküken mit Til Schweiger zu sehen. Früher wurde sie von ihrer Agentur dazu verdonnert, so lange Kopftuchrollen zu spielen, bis sie berühmt wäre. Nun ist sie bekannt und spielt teilweise immer noch Klischeerollen, zum Beispiel in Türkisch für Anfänger. Hilmi Sözer ist deutscher Schauspieler türkischer Abstammung und wird ebenfalls immer wieder in stereotype Rollen gesteckt. Selbst in Christian Petzolds Kinofilm Jerichow durfte er keinen selbstbewussten Protagonisten spielen.

Ja, es gibt sie: Die vietnamesischen Zigarettenverkäufer, die türkischen Fieslinge oder die russischen Prostituierten. Aber sie spiegeln nur einen kleinen Teil der Wirklichkeit wider. Die Realität ist viel differenzierter. Programmchefs sollten ihre Redaktionen motivieren, mehr kulturelle Vielfalt im Hauptcast zuzulassen. Mit meiner eigenen neugegründeten Filmproduktionsfirma SYNDROM werde ich neue deutsche Filme produzieren, deren Besetzungen so bunt wie ein Blumenstrauß sein werden. Ohne, dass der Migrationshintergrund zum Vordergrund gemacht wird.

Ach ja, das Gegenteil von devot ist nicht Domina.

Evi Rejeki

Ein Gastartikel von Evi Rejeki