Denklatenz

Das Magazin

Ein Abend bei einer Lesebühne in Berlin.

Chaussee der Enthusiasten

13. Juni 2010

von René Buchfink

Lesebühne, so komisch wie das ist, das muss man erst einmal erklären. Vermutlich sucht man die übergeordnete Aufgabe oder was hinter dem schlichten Namen „Lesebühne“ stehen könnte. Vielleicht ein abgefahrene Performence, ein großes Projekt, internationale Kunst, audiovision-style-hyperactive-cooperation-art-design-developement oder sowas, ein megacooles, superhippes Zeug. Die Bezeichnung ist so Oldscool, das muss etwas fesches sein.

Nun sägen wir die vier Stuhlbeine ab und kommen wieder runter, auf den Boden der Tatsachen. Eine Lesebühne ist genau das, übern Eingang steht, eine Bühne auf der gelesen wird, kein Commedy, wobei nicht gesagt ist das es lustig sein kann, kein Poetryslam, wobei nicht gesagt ist das man sich gegenseitig anspornen kann. Auf einer Lesebühne werden die eigenen Texte vorgelesen, meistens Kurz- und Kürzesterzählungen, oder Episoden eines längeren Text.

Bild: Enthusiasten
Bild von Tim Jockel
Die Helden: V.l.n.R: Kirstin Fuchs, Andreas Kampa, Stephan Serin, Robert Naumann, Dan Richter, Jochen Schmidt,

Seit etwa zehn Jahren gibt es die Chaussee der Enthusiasten, die wohl größte Lesebühne der Stadt. Die Enthusiasten sind ein Handvoll Literaten, die sich der Chaussee verschrieben haben. Mit Liebe und manchmal mit Eifer befeuern sie die Heimstätte im RAW die Zuhöhrer mit persönlichen Texten. In unfeiner Umgebung sprich der Franz Stenzer Halle, die kein Schnösel-Veranstaltungsort ist, findet jeden Donnerstag 21.00 Uhr die Lesungen statt. (Vorher im Ambulatorium ca. 100 m weiter) Hier werden die Stühle noch mit von Hand aufgestellt und wenn es voll ist, müsste man auf einer Bank platz nehmen. Wenn es heiß ist knallen hin und wieder mal die Sicherungen durch und im heimeligen Schein von Kerzen geht die Lesung einfach weiter. Dabei bestechen die Helden der Bühne durch Authentizität und Bürgernähe. So sind auch die Texte meist relevant, komisch, bissig und selten taktvoll gegenüber Randgruppen und trotz des Künstlerischen Aspekt auf keinen Fall trocken und humorlos.

Ein wahres Lob muss man den Machern aussprechen, über so lange Zeit sich dort regelmäßig zu engagieren ist aller Ehren wert. Für gute zwei Stunden fährt man in einer bunten Parkbahn, die mit Überraschungen hoch und runter durch Urbane Welten fährt. Die feine Hörkost wird mit tollen Gesprächen in den Pausen und Getränken garniert.