Denklatenz

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Bekenntnisse zu Übernationalen

Heinrich Mann: Der Hass

Als Heinrich Mann 1932 anfing Aufsätze und essayistische Darstellungen zu Veröffentlichung, sah er als einer von wenigen den zerstörerischen und menschenverachtenden Hitlerismus und den deutschen Nazi-Faschismus in aller Strenge voraus. Der Haß ist nur ein kleiner Teil aus seiner Sammlung von antifaschistischen Schriften, die die anti-humanistischen Machthaber in Berlin bloßstellen sollte.

02. Januar 2013

von René Buchfink

Buchcover Der Hass das Doppel S als Hakenkreuz geformt
Buchcover: Heinrich Mann - Der Hass.

Bekenntnisse zu Übernationalen ist ein in mehre Kapitel untergliederter längerer Aufsatz, welcher die Deutsche Kultur ab ca 1800 bis zur Gegenwart (1933) abbildet. Freilich legt Mann trotz umfangreichem politischen Wissens der Kaiserzeit, weniger Wert auf auf die politischen Darstellungen unter Bismarck & Co, als das er mit dem Bekenntnis eine Fürschrift zum sozial-humanistischen Ideal beschreibt. Vor allem treten bei diesem mit spitzer Feder geschriebenen Taktrat immer wieder die unerfüllten Hoffnungen von Heinrich Mann hervor, welche er und viele seiner aufgeklärten Kollegen mit der Weimarer Republik verbanden. Befreit von jeder Illusion schreibt er im zu Anfang im Kapitel Unfall einer Republik

Die deutsche Republik von 1918 ist in die dichte Mitte eines irrationalen Zeitalter hineingestellt worden. Von Anfang an hatte sie es schwer, zu atmen und zu leben. Eine Aufgabe der höchsten Vernunft, aber eine Atmosphäre nicht gesättigt sind: das war die Lage der entstehenden Republik und ist ihre Entschuldigung, wenn sie unterlegen ist. […] Aber jede neue Republik erhält innere Berechtigung als Erscheinungsform eines durchaus neuen geistigen Zustandes. Es genügt nicht, dass sie neu ist für das einzelne Volk, das es gerade mit ihr Versucht, und eine verspätete Nachahmung der „westl. Demokratien“ rechtfertige keines die deutsche Republik. Sie hatte den Inhalt ihrer Zeit aufzunehmen, ihn sogar vorwegzunehmen. Das Geringste wäre gewesen, wenn sie soziale Fortschritte verwirklichte. Ganze Parteien des Landes hatten Jahrzehnte damit verbracht, solche Fortschritte zu fordern und sie vorzubereiten. Als es soweit war geschah freilich nichts – schlimmer als nichts. Der fideikommissarisch gebundene Großgrundbesitz, dieser Rest einer überlebten Wirtschaftsepoche, ist mit Hunderten von Millionen unterstützt worden von Regierung der Republik, die Verrat begingen an ihrer Sendung. Diese Regierung erfüllte nicht einmal im Sozialen ihre selbstverständlich Pflicht, […].

Neben diesen bemerkenswerten Betrachtungen des bereits zweiundsechsigjährigen Heinrich Mann zum übernationalen, bilden für mich die Essays im Mittelteil der Veröffentlichung den spannendsten Teil dar. In hemmungsloser schärfe analysiert Mann die Nazigrößen in ungeahnter Art und Weise. Scharfsinnig und mit tiefer Verachtung dem rassistischen und kriegstreiberischen Machenschaften der kommenden Hitlerdiktatur, überzieht er deren Führer mit Schmähungen und entlarvenden Charakterstudien. Hitler beschreibt er als geborenen Arbeitslosen und gescheiterten Künstler. Der ironische und bitter zynische Titel lautet dazu Der große Mann.

Nun war der große Mann von Natur nicht arbeitsam. er war sogar der geborene Arbeitslose. Sein ehrliches Handwerk hat er wohl nur um das zwanzigste Lebensjahr ausgeübt. Dann kam der Krieg, dann die Revolution und endlich ein kurzer Augenblick, wo man die Wahl hatte, ob man mittun oder sich empören wollte. Der große Mann hatte er gar kein Empörertemperament, ihm stand der Sinn eher nach Nichtstun, ohne dass er deswegen auf die Freuden den Lebens hätte verzichten mögen. Er hatte ein paar Genossen sie waren wie, er demobilisiert und durch den Krieg arbeitsunwillig geworden. Mit ihnen zusammen sah er zu wie die Republik sich herumschlug, empfand aber keiner wohlwollen für Arbeiter, die doch seines gleichen waren, und denen der neue Staat die einzige Aussicht gewährte auf Befreiung und Aufstieg.

Neben dem Habsburger Trauma das er Hitler anheftet beschreibt Mann eine Reihe von Effekten und stellt eine umfangreiche sozialpsychologische Genese über den Österreicher an. In jeweils einen seiner Essays legt er sich schwerpunktmäßig auf ein anderen der ihm widerwärtigen Politiker fest. So geht er in Göring zittert und schwitzt umfangreich auf dessen Morphiumsucht ein. In Der Haß wird Goebbels Leistung als Propagandaminister erwähnt. Diese Aufsätze und Essays sind jedoch nicht einfache chronologische oder sachbezogenen, gar nüchterne Darstellungen des Hitlerismus, sondern sind in gesamtgesellschaftliche Betrachtungen eingebettet.

Im dritten Teil der Veröffentlichung sind Szenen aus dem Nazileben niedergeschrieben, die Verhältnisse und die Lage im Deutschen Reich wiedergebe soll. Die Verfolgung der Linken oder Marxisten, sowie die linken Intellektuellen standen Anfang seit 1930 hoch im Kurs. Das Denunziantentum und die Infiltrierung der braunen Denke in den Alltag, wurde in sechs unterschiedlichen szenischen Darstellungen aufgezeigt.

Heinrich Manns Aufsätze und Essays, die er seit 1932, und seit 1933 im französischen Exil, über die deutsche Lage schrieb, gehören laut dem Germanisten Joost Hermand zu den wichtigsten antifaschistischen Werken. Es ist außerdem eines von wenigen antifaschistischen literarischen Werken die bereits zu Beginn des deutschen Nazi-Faschismus auf die antihumanistische Tendenz und zerstörerische Kraft des Hitlerismus in aller Schärfe ohne Rücksicht eingeht und sich ganz klar von der Barbarei abgrenzt. Einige seiner Aufsätze erschienen in jeweils unterschiedlichen Zeitschriften ausserhalb Deutschland. Die erste Zusammenstellung einiger Schriften erfolgte beim holländischen Querido Verlag Ende 1933.

In der Kritik steht seine Schriftstücke wegen seiner einseitigen Betrachtungsweise. Besonders zu kurz kommende Erklärungsansätze aus Sicht der Sozioökonomie wurde von einigen linken bemängelt, nicht aber die volle Anerkennung für den kämpferischen Mut, die Aufrichtigkeit und den prachtvollen, unbedingten Willen zum Fortschritt.

Heinrich Mann publizierte seine Aufsätze und Essays in verschiedenen Zeitungen. Insgesamt schrieb Heinrich Mann etwa 300 Essays rund um das Thema Nationalsozialismus und Politik. Eine erstmalige Zusammenstellung unter den Namen Der Hass wurde in Holland gemacht und wo es im Amsterdamer Verlag Querido herausgegeben wurde. Der mir vorliegende Band ist in drei Abschnitte gegliedert. Zum ersten Das Bekenntnis zum Übernationalen, zweitens, elf Essays und drittens, Szenen aus Nazideutschland. Der Band wurde 1983 anlässlich der Bücherverbrennung von vor 50 Jahren vom Aufbauverlag herausgegeben.

Fakten:
Cover: Heinrich Mann Der Hass
Bild: Aufbauverlag 1983
Cover: Der Hass
Bild: "Heinrich Mann: Der Hass - Queridoverlag 1933"
von H.-P.Haack unter CC BY 3.0
Autor: Heinrich Mann
Titel: Der Haß
Seiten: 206
Verlag: Aufbau-Verlag Berlin
VÖ-Jahr: 1983
EA-Jahr: 1933