Denklatenz

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Theaterkritik

Anne Tismer: Hitlerine in der Volksbühne

15. November 2010

von René Buchfink

Anne Tismer
Bild: www.annetismer.de

Die Schauspielerin und Künstlerin Anne Tismer ist mir zum ersten mal als Gast in der Harald-Schmidt-Show aufgefallen. Seit ihrem Auftritt in der Sendung ging mir die Frau mit den abstrusen Ideen nicht mehr aus dem Kopf. Ich war sehr erfreut darüber, daß ich sie zufällig mit Ihren bekannten Programm „Hitlerine“ gestern in der Berliner Volksbühne sehen konnte.

Der „3. Stock“ ist ein kleines intimes Räumchen mit Platz für vielleicht zwei Dutzend Zuschauern. Als Zuschauer sitzt man also mittendrin in der Wüste Afrikas. Es gelang dem gesamten Ensemble die Zuschauer zu ergreifen. Es wurde gelacht und gefeixt, das tolle Bühnenbild und vor allem die Darsteller haben jederzeit überzeugen können. Zum einen konnten sie in ihren Rollen glänzen zum anderen waren die Inhalte immer überraschend und verständlich.

Anne Tismer hat eine wunderbare sprachliche Begabung die sie voll in Ihre Rolle einbringt. Ein rasantes Sprachtempo bei gleichzeitiger grammatischer Absurdität bildet für sich allein genommen, schon ein Grund zum Feiern. Am meisten hat mir allerdings die Kaka machende Ameise Angelika gefallen, schreiend komisch. Gespielt von Okka-Esther Hungerbühler, Tochter von Anne Tismer.

Hitlerine ist eine unglaublich farbenfrohe, stimmgewaltige und vor allem sehr dicht erzählte Geschichte. Es vergeht keine Sekunde oder gar Minute in der nicht irgendwas absurdes, lustiges oder spannendes passiert. Das tolle dabei ist, das man nie den Faden verliert oder überfordert ist, egal ob man mitten in der Wüste ist, im Meer mit Haien kämpft oder eine Zeitreise zum Ursprung der Welt macht.

Mag sein, das Hitlerine dem einen oder anderen zu seltsam oder zu durchgeknallt erscheint, ich fand es jedenfalls großartig und unterhaltend.

Eine Aktion von Anne Tismer - ALEXIS BUG
Hitlerine ist dieser traurig-berühmteste Deutsch-Österreicher verkörpert in Gestalt einer radikal-militanten, eitlen Egoistin — gespielt von der Aktionskünstlerin Anne Tismer. Wir befinden uns irgendwo in Westafrika in der Wüste, zugleich in einer parallelen Geschichte, in der sich etwas davon widerspiegelt, was wir in Europa veranstalten mit Afrika, auch ohne Adolf, der hier nicht vorkommt. Hitlerine und ihre Crew stecken fest. 1884 oder 1913 oder 1918 haben sie die Zeit angehalten. Unbekannte historische Möglichkeiten stehen offen. Hitlerine will die Wüste begrünen und Neufarmville aufbauen, mit Kakafäden der Ameise Angelika und Spremium des sexy Schwarzafrikaners Marcel, und vor allem will sie einen Staat, wo sie alles bestimmt. Darauf haben die Anderen nur wenig Lust und Hitlerine ist die, die immer alles in Gang halten muss. Und natürlich hat die Gruppe bereits ihre eigene Geschichte, die sie jetzt einholt in Gestalt Willis, des Künstlers und Exmitglieds, dem man nicht entfliehen kann.[…] (Quelle: Handzettel)

Fazit:
Ein Feuerwerk der Emotionen und Spielereien. Hitlerine baut einen Mikrokosmos auf, der den Zuschauer mitzieht in eine fantastische Welt. Ich hatte einen großartigen und genüsslichen Abend und freue mich auf neue Projekte von Anne Tismer.

Fakten:
Autor: Anne Tismer
Regie: Alexis Bug
Schauspieler: Okka Hunger-Bühler (Angelika)
Christian Sengewald (Marcel)
Felix Loycke (Bonobo, Willi)
Anne Tismer (Hitlerine)
Inszenierung vom: 14.11.2011
Textquelle: www.annetismer.de