Denklatenz

Das Magazin

Buchrezension

Katia Mann: Meine ungeschriebenen Memoiren

24. November 2009

von René Buchfink

Ich habe tatsächlich mein ganzes, allzu langes Leben immer im strikt Privaten gehalten. Nie bin ich hervorgetreten, ich fand, das ziemte sich nicht. Ich sollte immer meine Erinnerungen schreiben. Dazu sage ich: in dieser Familie muss es einen Menschen geben, der nicht schreibt. Dass ich mich jetzt auf dieses Interview einlasse, ist ausschließlich meiner Schwäche und Gutmütigkeit zuzuschreiben.

Meine ungeschriebenen Memoiren entstand über einen längeren Zeitraum und mit viel Geduld der Interviewenden. Herausgekommen ist eine ungewöhnliche Autobiographie. Ungewöhnlich deshalb weil Frau Mann eine gewisse Altersnaivität und recht verklärten Blick auf ihre eigene Vergangenheit hat. Den Mangel an Selbstkritik kann ich aber der alten Dame nicht übel nehmen. Es ist genau das, was ich an den ungeschriebenen Memoiren gut finde, schließlich ist sie neunzig Jahre alt als sie mit dem Projekt beginnt. Katia Mann legt einen ganz eigenen Mikrokosmos frei. Der Mikrokosmos den sie wiedergibt besteht aus ihrer Geschichte, die ihrer Familie, die Ehe mit Thomas Mann und sowie die ihrer Kinder. Aber man findet noch mehr wenn man durch das Okular ihrer Brille sieht, das Zeitgeschehen aus ihrer Perspektive. Man liest über die vielen interessanten Personen mit denen sie und ihr Mann zu tun hatten.

Katia Mann geht auf ihre Kindheit ein, ihren Vater, der große Professor und Mathematiker Alfred Pringsheim. Sie erinnert sich an die großbürgerlichen Lebensumstände, an die ersten Werber die sie abblitzen lies und schließlich ihren zukünftigen Ehemann, Thomas. Wenn in ihren Memoiren die gesellschaftlichen Verhältnisse beschrieben werden erinnert es mich mehr an ein Märchenbuch als an wahre Begebenheiten. Das liegt unter anderen daran, dass Katia Mann zu einen kulturellen Milieu gehörte das damals schon eher klein war und es heute so nicht mehr existiert. Die kulturelle und intellektuelle Elite umfasste um 1900 ja noch eine überschaubare Menge am Menschen und in dieser elitären Menge tummelte sich Katia Mann als Kind. Bis zu ihrem Tod blieb sie in Gedanken Teil der großbürgerlichen Kaste, obwohl diese schon lange untergegangen war.

Katia Mann hatte so viele Bekanntschaften mit Personen der Zeitgeschichte, das man eigentlich nur ungläubig staunen kann. Sie erzählt ausschließlich privat, wenn sie über Gerhart Hauptmann spricht, Theodor Lessing, natürlich von ihrem Schwager Heinrich, Gustav Mahler, Hermann Hesse, Franz Werfel, Max Reinhardt, Hermann Broch, Furtwängler, Brecht u.v.m..

Für mich gibt es in den ungeschriebenen Memoiren drei Säulen auf denen diese Autobiographie steht. Zum ersten, Familie Mann und die Bekannten, zweitens die zeitgeschichtlichen Rahmenbedingungen, und drittens die Werke von Thomas Mann und ihre Erläuterungen.

Das alles in Kombination und betrachtet mit einem Mikroskop, das wir durch Katia Mann haben, das einen scharfen Kontrast zulässt, machen Meine ungeschriebenen Memoiren zu einen lesenswerten Buch. Geschrieben mit scharfer Zunge, frei von Ideologien außer ihrer eigenen, lässt sie oft an so mancher Koryphäe keine heile Feder mehr. Auf ihre Zeit in München geht Katia genauso ein wie auf die Zeiten, in den verschiedenen Exilen. Die Wiener Zeit, bekommt genauso wie er Pariser Aufenthalt seinen Platz. Auf das Leben in Amerika geht sie besonders intensiv ein und spiegelt wieder, mit welchen Schwierigkeiten alle Deutschen Literaten hatten, die Asyl in den USA suchten. Brecht zum Beispiel war in Europa einer der bekanntesten Dramaturgen, in den USA kannte ihn niemand.

Eingegangen wird auch darauf, welche realen Personen Thomas Mann für seine literarischen Figuren zur Vorlage nahm. Es ist schon interessant, wenn Thomas Man vor Augen hatte wenn er an Settembrini oder wer alles in Gustav von Aschenbach aus Der Tod in Venedig steckt.

Fazit:
Wer sich mit Thomas Mann beschäftigt für den sind die Memoiren seiner Frau ein muss. Für alle anderen ist es fast Blick zurück in eine Welt die nicht die unsere ist. Geschrieben in starrer aber witzig anmutender Haltung, mit klar gezeichneten Vorgängen.

Fakten:
Buchcover
Bild: Buchcover - Der Morgen Verlag 3. Auflage 1987.
Herausgeber: Elisabeth Plessen und Michael Mann
Titel: Katia Mann: Meine ungeschriebenen Memoiren
Seiten: 184
Verlag: S. Fischer
Buchverlag: Der Morgen
VÖ;-Jahr: 1974