Denklatenz

Das Magazin

Ein Kommentar von Sarah Harrison

Warum Die Welt Wikileaks Braucht.

Der Artikel Warum die Welt Wikileaks braucht erschien unter dem gleichlautenden Titel Why the World Needs WikiLeaks zuerst am in der NY-Times. Er wurde eine Woche nach den Präsidentschaftswahlen in den USA veröffentlicht.

wikileaks
Bild: "Wikileaks" von Denklatenz.de unter CC BY-SA 4.0

von Sarah Harrison
(Übersetzung: René Buchfink)

Berlin – Meine Organisation, Wikileaks, musste sich während des Rennens um die Präsidentschaftswahl (USA) viele ungerechtfertigte Vorwürfe anhören. Wir wurden beschuldigt den Kandidaten Donald J. Trump zu begünstigen indem wir geheime und echte Informationen über Hillary Clintons Kampagne und den Einfluss auf das Demokratische Nationale Komitee veröffentlicht haben. Wir wurden von außen bedrängt, das eine Nachrichtenorganisation doch bitte zurückhaltend mit exakten und nachrichtenswerten Informationen sein soll.

Obamas Justizministerium verfolgt schon über sechs Jahre lang, Ermittlungen gegen Wikileaks, die längsten Ermittlungen dieser Art. Dabei geht es um die Veröffentlichung von als geheim eingestuften Dokumente und um Artikel über die Kriege im Irak und Afghanistan, Guantánamo Bay und Frau Clintons ersten Jahre als Außenministerin. Gleichzeitig versuchte man durch Zeugenaussagen eines F.B.I. Agenten, zahlreiche Ermittlungen gegen den Wikileaksgründer, Eigentümer und Manager anzustrengen. Letzten Monat wurde unserem Mitarbeiter, Julian Assange, der Asyl in der ecuatorianischen Botschaft in London gefunden hat, die Internetverbindung gekappt.

Ich kann die Frustration, die Verlegenheit, der Clintonunterstützer verstehen. Aber den Mitarbeitern von Wikileaks wurde durch Herrn Assange ein Mandat anvertraut, und wir werden alles tun das Mandat zu erfüllen, egal wie viel er beschimpft wird. Dabei könnte es eigentlich etwas sein das Demokraten glückliche machen kann, das nämlich Regierungen Rechenschaft ablegen müssen.

Gleichwohl böswillige Aussagen und politischer Druck aus Washington kam, wir werden auch weiterhin wertvolles Material veröffentlichen. Auch wenn die Einschüchterungsversuche gegen Assange und Wikileaks weitergehen. Es ist für unsere Arbeit enttäuschend; Die Welt ist verbunden durch große machtvolle, unzählige Netzwerke, das Industrien und Länder, Parteien, Unternehmen und Institutionen umfasst; Wikileaks scheint wie eine Taschenlampe hinein, dabei geht es nicht darum Verfehlungen einzelner aufzudecken, aber die Informationen darüber vervollkommnen das Bild über die Strukturen der Macht.

Während einzelne Dokumente möglicherweise einen Blick auf den einen Vorfall geben, ist der beste Weg das ganze System auszuleuchten, die vollständige Aufdeckung der Mechanismen drum herum – die Hierarchien, Ideologien, Regeln und ökonomische Beeinflussung die diese Systeme aufrecht erhalten.

Es gibt zwei entgegensetze Mythen darüber wie wir agieren: Auf der einen Seite, das wir einfach alles was zu uns kommt publizieren, auf der anderen Seite, dass wir Material herauspicken und auswählen welches Material unseren vermeintlichen politischen Gegner schadet.

Wir tun weder das eine noch das andere. Wir glauben an die Integrität von Quellenmaterial, an den Wert von archivierten, unverfälschten Zusammenstellungen von Dokumenten, und wir sind bemüht diese historischen Aufzeichnungen öffentlich zugänglich zu machen. Wir publizieren im vollem Umfang, in einer unzensierten und unzensierbaren Form. Aber wir untersuchen, validieren und kontextualisieren das Material das uns zugespielt wird. Es kann durchaus schwer sein die Balance zu finden, zwischen dem Bedürfnis zügig zu Publizieren und den Zugang zu den Archiven zu gewähren, und der Privatsphäre einzelner. Die meisten vorgetragene Bedenken sind jedoch unredlich.

Manchmal erreichen uns einzelne Dokumente, aber wir wurden zu Spezialisten im Umgang mit große Sammlungen. In den letzten 10 Jahren haben wir geprüft, indiziert und veröffentlicht im Durchschnitt 3.000 Dokumente pro Tag, inklusive 300.000 Berichte über den Krieg im Irak und Afghanistan, mehr als zwei Millionen Emails von politischen Figuren in Syrien und über 120.000 Dokumente vom saudischen Außenministerium. Wir haben ebenso die öffentliche Bibliothek der US-Diplomatie, die weltgrößte Ansammlung von diplomatischen Depeschen (fast 3 Millionen), kuratiert.

Wikileaks überführte mehr als 10 Millionen Dokumente in ein einzigartiges durchsuchbares Archiv, nicht nur um unsere Webseite zur größten Online-Bibliothek für Informationen zu machen, sondern auch um die Möglichkeit größere Zusammenhänge zu erschließen, die sich durch die Verbindungen über alle Publikationen hinweg ergeben.

Einige haben uns Angeklagt, das wir heimliche Helfer der russischen Regierung seien, das aber stellt unsere Prinzipien und Arbeitsgrundlagen völlig falsch dar. Wikileaks beruht auf der Erfindung der Redakteure, einen sicheren, anonymen Onlinebriefkasten zu haben, der Informanten schützt. Diese Technologie wurde inzwischen zum Standard für viele Medienkanäle in der ganzen Welt. Wir ziehen es vor nicht zu wissen wer unsere Quellen sind; wir möchten es nicht und normalerweise ist es auch nicht nötig. Entscheidend für uns, ist die Authentizität der Dokumente.

Dies war schon immer unser Ansatz, ob wir nun Material über die Georg W. Busch’s Kriege oder Korruptionsaffären innerhalb der Demokratischen Partei veröffentlichen. Die etablierten Medien waren einst glücklich mit uns zusammen zu arbeiten, aber sie wandten sich letztendliches gegen uns. Sie hinterfragten unsere Intention und die von Herrn Assange. CNN hatte gar fälschlicherweise behauptet, das Leser juristische Probleme bekommen, falls sie Dokumente von unserer Seite herunterladen.

Weil wir keine institutionellen Vorlieben haben, wird nur das publiziert was uns erreicht, wir sind glücklich über Dokumente, über jeden Präsidentschaftskandidaten, jederzeit, egal wo es global gesehen wichtige Wahlen gibt.

Wir veröffentlichen ohne Angst und Begünstigungen, bringen Transparenz in mächtige Zirkel und geheimnisvolle Institutionen, wir weichen keinen Schritt davon ab was die Wahrheit ist. Wir glauben an die Demokratisierung von Informationen und an die Kraft die Wissen in sich birgt, damit Menschen weiterhin in Frieden, verantwortlich und selbstbestimmt leben können.

Wikileaks wird weiter publizieren, Transparenz anstreben, solange Geheimniskrämerei die Norm ist. Währenddessen sich die Schlinge um unseren Redakteur zu zieht. Herr Assange ist nicht alleine, und seine Ideen werden uns weiterhin inspirieren und Menschen auf der ganzen Welt.

Sarah Harrison ist Britische Journalistin, Juristin und Redakteurin bei Wikileaks. Sie arbeitet mit der Wikileaks Rechtsabteilung zusammen und ist Julian Assanges engste Beraterin. Harrison begleitete den NSA-Whistleblower Edward Snowden beim aufsehen erregenden Flug von Hong-Kong nach Moskau, während er durch die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika gesucht worden ist.

(Übersetzung: René Buchfink)