Denklatenz

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Zur Veröffentlichung des Gutachten der Monopolkommission zur Buchpreisbindung.

Wider die Vernunft.

Die Monopolkommission spricht sich in ihrem 80. Sondergutachten gegen eine Buchpreisbindung aus und düpiert Fachleute und Politiker.

von René Buchfink

Buchladen von Innen
Schmökern, Spontankauf, sich persönlich beraten lassen, neues entdecken? Im Internetversandhandel wohl kaum.
Bild: "Schmökerecke" von "denklatenz.de" unter CC BY-SA 4.0

Den Ehrgeiz den die Monopolkommission ihn ihrem Kampf gegen die Buchpreisbindung zeigt, würde man sich eher für andere Märkte wünschen. Sie könnte die dominierende Marktmacht von Facebook und Amazon und andere Plattformkapitalisten genauer betrachten. Statt dessen lenken die Kommissare ihre Aufmerksamkeit den Themenkomplex Buchpreisbindung.

Die Monopolkommission hat den Auftrag für die Bundesregierung alle zwei Jahre ein "Hauptgutachten" zu erstellen in dem wettbewerbspolitische und -rechtliche Fragestellungen erörtert werden. Daneben kann die Monopolkommission aus eigenen Antrieb heraus sogenannte Sondergutachten erstellen.

Das Urteil des EuGH vom 19.10.2016 in dem die Praxis der Arzneimittelpreisbindung in Deutschland als rechtswidrig eingestuft worden ist, hat die Monopolkommission zum Anlass genommen die Buchpreisbindung zu beurteilen. Am 29.05.2018 veröffentlichte die Monopolkommission ihr 80. Sondergutachten. Auf 93 Seiten und in 341 einzelnen Punkten stellt sie ihre Sichtweisen dar. In ihrem Fazit, spricht sich die Monopolkommission für eine Abschaffung der Buchpreisbindung in Deutschland aus.

Aus ihrer Ablehnung der Buchpreisbindung hat die Monopolkommission unter Vorsitz von Achim Wambach nie einen Hehl gemacht. Das färbt trotz sachlicher Formulierungen auf den Inhalt ab. Aber es gibt auch gröbere Kritikpunkte. So zum Beispiel beim europäischen Vergleich der im 3. Kapitel angestellt wird, wo nur Großbritannien und die Schweiz detaillierter Betrachten werden. Zu den Situationen in Polen, Flandern, Frankreich, Schweden, Österreich oder Bulgarien, Rumänien gibt es keine vertieften Analysen. Besonders der Vergleich zwischen Portugal und Polen wäre interessant gewesen. Polen und Portugiesen geben etwa gleich viel für Bücher pro Person aus, 20 - 40 € pro Jahr. Portugal hat eine Buchpreisbindung, Polen keine. Warum gibt es in Portugal rund doppelt soviel Neuerscheinung, pro Kopf, die auf den Markt kommen wie in Polen? Diesen Phänomen ist die Monopolkommission nicht nachgegangen. Auch den Buchmarkt in der deutschsprachigen Schweiz den die Gutachter beleuchten ist eher untypisch und ungeeignet für einen europäischen Vergleich, weil der deutschschweizer Buchmarkt sehr viel von Importen aus Deutschland profitiert, wo Titel aus Deutschland durch den Wechselkurs zwischen Euro und Schweizer Franken, vergleichsweise billig zu haben sind. In Großbritannien bescheinigen sie dem Buchmarkt eine Verdichtung hin zu Bestsellern.

Fasst man die Entwicklung des britischen Buchmarktes seit 1995 zusammen, zeigt sich ein gemischtes Bild. Während die Versorgungsdichte mit stationären Buchhandlungen gesunken und bei Nischentiteln ein Preisanstieg nicht auszuschließen ist, konnten die Verfügbarkeit von Literatur – wenigstens von Massentiteln – erhöht, die Konsumausgaben stimuliert und starke Rabatte bei Bestsellern beobachtet werden. Hinzu kommen eine steigende Titelvielfalt und höhere Verlagsumsätze. (S. 44 / p. 111)

Die Gutachter bemängeln das die Buchpreisbindung den Strukturwandlung des Buchmarktes nicht verhindere sondern lediglich verlangsamt. Mit Strukturwandel meinen die Gutachter die Hinwendung in Richtung self-publishing, ebook-plattformen und Internethandel. Auch wird die Buchpreisbindung als geeignetes Instrument in Frage gestellt. Steht die Buchpreisbindung überhaupt in Wechselwirkung mit den politischen Zielen und werden damit zielführende Ergebnisse erzielt? Die Kommissare kommen zu der Antwort, das sie keine eindeutige abschließende Aussage über die Wirkung der Buchpreisbindung treffen können. Einen weiteren Einwand gegen eine Buchpreisbindung den die Kommission vorbringt, ist die Behauptung, dass die Vertriebswege ohne Buchpreisbindung effektiver wären und dadurch Titel preisgünstiger in den Handel kommen könnten. Dieses Argument zieht sich, wie ein roter Faden, durch alle 93 Seiten. Der freie Markt ist immer Effektiver als regulierte Umgebungen, so das Credo der Gutachter. Auf einen übervorteilenden Umstand an Kunden weißen sie allerdings hin, daß Zwischenhändler bei der Abnahme von großen Mengen, Rabatte von den Verlagen bekommen, diese Rabatte nicht an den Endkunden weitergegeben werden können.

Im gesamten Gutachten kommt immer wieder zum Ausdruck, das es die Bundesregierung zum einen verpasst hat das Schutzziel genauer zu definieren, zum anderen muss die Bundesregierung, nachweisen das die Buchpreisbindung das geeignete und wirkungsvolle Mittel zum erreichen des Schutzziels ist.

Bibliodiversität wäre so ein Schutzziel. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels spricht sich uneingeschränkt für die Buchpreisbindung aus und opponierte deutlich gegen das Gutachten. Monika Grütters (Staatsministerin für Kultur und Medien) macht das Gutachten jedenfalls fassungslos.

[…] Die literarische Welt in Deutschland ist in ihrer Vielfalt an Autoren, Verlagen und Buchhandlungen fast einzigartig und deshalb nachhaltig zu schützen! Der Bestand dieser kulturellen Errungenschaft, die prägend für Deutschland als Kulturnation ist, kann nicht allein den Mechanismen des freien Marktes überlassen werden. […]
Pressemitteilung

Die Monopolkommission gibt in ihren Gutachten eine unverbindliche Empfehlung ab. Der Bundesregierung ist es dennoch zu empfehlen das ganze nicht zu sehr auf die leichte Schulter zu nehmen. Wie schon letztes Jahr an dieser Stelle angemerkt, muss sie ihre Nachweißpflicht erfüllen, das die Buchpreisbindung das tatsächlich ein geeignete Mittel ist die Schutzziele zu erreichen. Auch sollte die Bundesregierung stärker ihre politischen Ziele definieren. Eine Definition von dem was sie unter Bibliodiversität versteht wäre hilfreich. So trivial und vernünftig es auch erscheinen mag.

Außenansicht eines Comicbuchladens
Bedrohte Art? Der Buchladen von Nebenan.
Bild: "Comicbuchladen" von "denklatenz.de" unter CC BY-SA 4.0
Aussicht:

Werden nun kleine Inhabergeführte Buchhandlungen, Spezialbuchhandlungen und Comicfachgeschäfte aus den Städten und Gemeinden verschwinden? Wegen einer Auflösung der Buchpreisbindung, auf absehbare Zeit wohl nicht. Seit Jahren fehlt der politische Wille an der Buchpreisbindung zu rütteln. Es gibt also auch weiterhin Planungssicherheit für kleine Buchhändler, Verlage, Zwischenhändler und nicht zuletzt für Kunden. Die Buchpreisbindung steht und fällt mit dem politischen Willen. Mit einer marktradikalen Partei wie der FDP oder der AfD in der Regierung kann sich die gegenwärtige Situation aber ganz schnell ändern.

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