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Filmrezension

Armee der Finsternis

Gerade, als die EVIL DEAD-Reihe per Remake wieder mit ungeahnter Vehemenz blutig in die Kinos schwappt, bringen Koch Media eine neue Auflage des selbst unter hartgesottenen Fans der Reihe zwiespältig aufgenommenen dritten Teils. Zwar gab es bereits eine kaum zu überschauende Anzahl an Veröffentlichungen auf DVD; die neue Auflage könnte aber der Fassungsflut ein Ende bereiten…

18. Juni 2013

von Laurel

Wir erinnern uns: Der einzige Überlebende des ersten und Star des zweiten Filmes, Ash, war Ende der 1980er zu einer Horrorikone geworden, was er seiner brillianten Verkörperung durch den mit akrobatischer Finesse, einem scheinbar unerschöpflichen Reservoir an Grimassen und perfektem Slapstick-Timing gesegneten Bruce Campbell verdankte. Sein Ash war eine Mischung aus Großmäuligkeit und intellektuellen Defiziten, gepaart mit Bauernschläue und einer beinahe unheimlichen Fähigkeit, jede noch so perfide Dämonen-Attacke so stoisch hinzunehmen, daß er in einer damaligen Ausgabe der CINEMA gar mit dem Signum „der Duffy Duck des Horrorfilmes“ bedacht wurde. Nicht umsonst wurde der scheinbar so positive „Held“ zu einer modernen Horrorikone und mischte sich unter die illustre und schlagkräftige Schar von Eisverkäufer Reggie aus den PHANTASM-, Ripley aus den ALIEN- oder Dr. Herbert West aus den RE-ANIMATOR-Filmen ein.

Sein drittes Abenteuer, „Armee der Finsternis“, sollte sein großer Durchbruch hin zu Mainstream-Starweihen werden. Mit einem Budget von immerhin 13 Millionen Dollar war „Armee der Finsternis“ um einiges teurer als noch sein direkter Vorgänger „Tanz der Teufel 2“. Das war auch nötig, um die ausufernden Spezialeffekte, fantasievollen Sets und besonders das Schlachtengetümmel des Finales zu finanzieren. Aber ein großes Publikum hatte nicht unbedingt auf den agilen Quertreiber Ash gewartet. Selbst in den USA wurde der Film allenfalls ein moderater Erfolg, Ähnliches gilt für Deutschland. Seine wilde Mischung aus Mark Twains „Ein Yankee am Hofe des König Artus“, Ray Harryhausens Stop Motion-Skeletten und dem Humor der drei Stooges rannte selbst bei denen, die unvoreingenommen ins Kino gingen, nicht unbedingt offene Türen ein- ich erinnere mich noch gut an Schimpftiraden eines Teiles des Publikums über die „Albernheit“ des Filmes. Selbst Bruce Campbell kam im Audiokommentar zu einer entscheidenden Fehleinschätzung: „Ash… er ist ein Feigling, er ist ein Prahlhans, ein Held, ein Verlierer – alles in einem, und das Publikum ist ihm ausgeliefert, einfach schrecklich…“ – Könnte es nicht sein, daß die Popularität von Ash vielmehr genau in dieser Mischung begründet ist?

Über die Jahre entwickelte sich „Armee“ jedenfalls zum Sleeper-Hit, der die Fans der EVIL DEAD- Reihe zwar immer noch entzweit; aber dennoch mit seiner liebevollen Machart, den grandiosen Kameratricks, der atmosphärischen Gestaltung und besonders einem außer Rand und Band geratenen Bruce Campbell überzeugt. So sehr, daß Sam Raimi und Campbell selbst nach dem Erfolg des EVIL DEAD-Remakes bereits einen ARMY OF DARKNESS 2 ankündigten; zwei Sequels zum Remake sollen bereits in der Planung sein, und darüber hinaus schwebt den Machern ein Film vor, der die Charaktere Ash und Mia aus dem Remake zusammenführt. Da aber in Hollywood nicht immer Realität wird, was gesagt und angekündigt wird, dürfen wir gespannt sein, wieviel von ihren hochtrabenden Plänen die beiden Köpfe hinter dem Franchise umsetzen können.
Die schwierige Entstehungsgeschichte von „Armee der Finsternis“ ist vielleicht auch ein Grund für den relativen Mißerfolg beim damaligen Kinostart – das allgemeine Fassungswirrwarr sorgte dafür, daß es kaum Länder in der Welt gab, in der man den Film gleich wahrnahm; man denke nur an die sehr unterschiedlichen Enden.
Sammler waren damals sehr an einer Laserdisc aus Singapur interessiert, die in den 90ern als einzige Veröffentlichung die längste Fassung des Filmes enthielt und für Unsummen angeboten wurde. Später wurde diese Fassung als „Director’s Cut“ bezeichnet. Sie zeichnete sich vornehmlich durch das ursprüngliche Ende von Sam Raimi aus, in dem Ash in einer endzeitlichen Zukunft landet – eine Vision, die interessante Möglichkeiten für eine wiederum anders gelagerte Fortsetzung geboten hätte. Doch das produzierende Studio Universal mochte dieses recht düstere Ende nicht. Bei Nachdrehs kreiert, dürfte in Deutschland das Ende bekannter sein, in dem Supermarktverkäufer Ash seinem allgemein bekannten Aufschneider-Modus fröhnt- „Hail to the King, Baby!“. Hierzulande wurden beide Enden unter merkwürdigen Umständen von einer Firma mit den Initialen LP auf einer DVD zusammengefaßt – über diesen Eigencut decke ich doch lieber den Mantel des Schweigens!

In Nebenrollen, teils unter Tonnen von Make Up, sind die Regisseure William Lustig (MANIAC), Josh Becker (Xena), Harley Cokliss (BLACK MOON, XENA) und Bernard Rose (CANDYMAN) zu entdecken (Lustig läuft bsw. im Supermarktende durch das Bild). Aus dem zweiten Teil übernommen wurde die weitgehende Identifikation des Filmes mit Ashs Innenleben. Diverse Szenen liefern kleine Hinweise, daß er sich das Geschehen möglicherweise nur einbildet. Man denke nur an die Mini-Ashs oder den aus ihm selbst erwachsenen, bösartigen Doppelgänger. Diese beinahe manische Seite an ihm wird noch unterstrichen in den auf einer der anderen Discs der „Ultimate Edition“ enthaltenen Deleted Scenes. Darunter befindet sich ein anderer, ziemlich gruseliger Filmanfang, in dem Ash, umrahmt von Dunkelheit, die Vorgeschichte erzählt. In dieser Version scheint er mental durchaus neben der Spur zu liegen. Ebenfalls unter den Deleted Scenes befindet sich der Anfang der originalen Windmühlen-Szene, der sehr viel mehr Horrorstimmung verbreitet, als der Film letztendlich einlöst; und eine Szene, in der Ash zu Henry dem Roten reitet, um ihn für Arthurs Unterstützung zu gewinnen.

cover Armee der Finsternis
Filmplakat "Armee der Finsternis"

Mindestens fünf verschiedene Fassungen existieren von ARMY OF DARKNESS, womit sich der Film unter die kleine Schar illustrer Klassiker mischt, etwa des originalen DAWN OF THE DEAD oder BLADE RUNNER, die ein ähnliches Schicksal ereilte. Über die Jahre haben Fans eine kleine Wissenschaft daraus gemacht, alle in irgendeinem Winkel unserer Erde erhältlichen Versionen zusammenzutragen.
Nach der von Koch Media veröffentlichten „Ultimate Edition“ wird jedoch auch der pingeligste Sammler ruhig schlafen können, denn alle bekannten Fassungen sind darin vertreten, darunter sogar eine amerikanische TV-Fassung, die zwar Gewaltszenen vermissen läßt, jedoch mit einigen längeren Einstellungen aufwartet. In bekannt liebevoller Kleinarbeit hat das Label eine Veröffentlichung vorgelegt, die sich zeigen kann. Aber auch an diejenigen mit einem kleineren Geldbeutel ist gedacht. Sam Raimis „Director’s Cut“ – wenn man in diesem Fall von einem solchen sprechen kann- ist als einzelne DVD oder Blu-ray zu erwerben.

Die mir vorliegende Blu-ray des Director’s Cuts enthält den Film mit einem sehr schönen, detailreichen Bild mit warmen Farben; erstaunlich ist jedoch der ziemlich hohe Anteil an Kratzern und Verschmutzungen auf dem Filmmaterial und die doch sehr variierende Schärfe. Ich halte aber bei einer Wahl zwischen Verschmutzungsartefakten und einem Bild, das durch den übermäßigen Einsatz von Filtern matschig wirkt, die erste Option für die Weisere – und das tat das Label offensichtlich auch! Erweiterte Szenen sind vornehmlich beim Geschehen in der Windmühle und bei der finalen Schlacht vorzufinden. Diese wurden dem Vernehmen nach von einem hochskalierten Master entnommen und zwischen das HD-Material geschnitten, was aber nicht unbedingt auffällt, da die Szenen beim Schein eines Feuers ohnehin recht dunkel und damit entsprechend grobkörnig aussehen. Natürlich zeitigt die relativ oft eingesetzte Rückprojektionstechnik, besonders bei Szenen mit den Mini-Ashs oder Stop Motion-Kreaturen, die üblichen Probleme, was Bildschärfe oder Kontrast angeht. Behauptungen einiger Rezensenten, die Blu-ray wäre kaum besser als die vorherigen DVDs lassen sich aber nicht nachvollziehen, denn das Bild ist dem der DVD von MGM, mit dem ich direkt verglichen habe, weit überlegen! In einer Hinsicht stimmt die Kritik allerdings schon, denn auf der MGM-DVD gab es den deutschen Ton bereits als 5.1 – Version, während er hier leider nur als 2.0-Stereo vorliegt.

Bei der Sichtung der Blu-ray fiel mir zum ersten Mal auf, wie verwackelt die Totalen der Burg aussehen. Wer aber mit den EVIL DEAD-Filmen quasi groß geworden ist, den sollte eine mangelhafte Tricktechnik wohl kaum abschrecken. Denn was hier technisch weniger perfekt erscheint, wird durch ein großen Ideenreichtum wettgemacht. „Armee“ entstand zu einer Zeit, als computergenerierte Effekte gerade in den Kinosälen ankamen, besonders populär gemacht durch JURASSIC PARK oder TERMINATOR 2, und wirkte deshalb schon zu seiner Entstehungszeit ein wenig antiquiert, was aber von einem Sam Raimi eher im Sinne einer Hommage an klassische Fantasy- und Abenteuerfilme gedacht war. Sollte der zweite Teil zustande kommen, wird er wohl um CGI nicht herumkommen.
Der Ton liegt auf Englisch im 5.1-Sound vor, wobei in der Synchronisation wenigstens im Vergleich kaum Umgebungsgeräusche verloren gingen. Der Ton bei beiden Spuren lastet den Subwoofer nicht übermäßig aus, nur in den Kampfszenen geht es da dynamischer zur Sache. Wer es lauter mag, sollte sich die englische DTS-Spur zu Gemüte führen, denn die knallt ganz ordentlich. Da der Director’s Cut länger läuft als die bisher in Deutschland bekannte Euro-Fassung, existiert für die neu hinzugekommenen Szenen keine Synchronisation; deshalb muß man mit der Originalfassung mit zuschaltbaren Untertiteln vorlieb nehmen, anwählbar auf Deutsch oder Englisch. Eine weitere Untertitelspur ist für die erweiterten Szenen anwählbar, wenn der Ton auf Englisch weiterläuft. Untertitel für den Audiokommentar existieren nicht.
Als Extras enthält die Disc den deutschen und den originalen Trailer und eine Bildergalerie, für die Kinopostermotive und Cover von Veröffentlichungen aus aller Herren Länder zusammengetragen wurden. Einen Audiokommentar mit den Herren Campbell und Raimi gibt es auch, der allerdings schon Ende der 90er Jahre aufgezeichnet wurde und somit der aktuellen, verbesserten Veröffentlichungspolitik des Filmes oder auch Bezügen zum ED – Remake keine Rechnung trägt und bei dem Campbell den Löwenanteil der Anekdoten und Informationen rund um die Entstehung trägt.

Ein kleiner Hinweis: Achtet doch einmal auf das Auto, ein ’73er Oldsmobile. Dieses Auto ist in jedem Sam Raimi – Film inklusive seines letzten zu sehen, „Die fantastische Welt von Oz“ (dieses Detail deckte ein Campbell in Bestform bei einer Fan Convention auf, deren Video man auf einer bekannten Videoplattform hachholen kann), und durfte natürlich auch im EVIL DEAD-Remake nicht fehlen!
Abschließend ein Zitat des großmäuligen Ash, der sich für Campbell immer mehr zu einem Alter Ego entwickelte: „Well hello Mister Fancypants. Well, I’ve got news for you pal, you ain’t leadin‘ but two things, right now: Jack and shit… and Jack left town.“

Fakten:
dvd cover
Cover: Blue-Ray
Film: Armee der Finsternis
Regie: Sam Raimi
Darsteller: Bruce Campbell, Embeth Davidtz,
Marcus Gilbert, Ian Abercrombie,
Richard Grove, Timothy, Patrick Quill,
Michael Earl Reid, Bridget Fonda,
Patricia Tallman, Ted Raimi,
Deke Anderson, Bruce Thomas
Director’s
Cut Blu-ray:
  • Bild: 1,78:1 (16:9)
  • Ton: Deutsch Dolby Digital 2.0;
    Englisch Dolby Digital 2.0 und DTS
  • Untertitel: Deutsch, Englisch, Deutsch für DC-Szenen
  • Extras: Audiokommentar; Trailer Deutsch & Englisch;
    Bildergalerie mit Poster- und Heimkinocover-Artwork
VÖ-Jahr: 2013 (Blue-Ray)