Denklatenz

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Buchrezension - Die Geschichte eines Moralisten

Erich Kästner: Fabian

Die Bücher von Erich Kästner sind seit längeren eher als Kinderbuchliteratur etwas abgewertet, völlig zu unrecht wie ich finde. "Emil und die Dedektive" ist das am meisten verbreitete Werk von ihm. Aber Kästners Fabian ist nicht minder wichtig.

24. November 2009

von René Buchfink

Fabian, mit dem Untertitel Die Geschichte eines Moralisten ist einer der bekanntesten Romane der Literaturepoche zum Ende der Weimarer Republik. Der Roman wurde 1931 Veröffentlicht und gibt innerhalb der Neuen Sachlichkeit das Genre der Großstadtromane wieder. Fabian gilt neben Berlin Alexanderplatz von Alfred Döblin, als einer der wichtigsten Großstadtromane.

Vorname Fabian, Nachname Jakob, 32 Jahre alt und derzeit Werbetexter ist der Protagonist. Als Germanist hat er in der Wirtschaftskrise keine Chance auf eine gut bezahlte Anstellung. Er verliert den eh schon ungeliebten Job als Werbetexter und wird betriebsbedingt gekündigt. Den Jobverlust nimmt Fabian nur als Randerscheinung war und lebt weiter, wie zuvor.

Labude ist sein engster Freund. Im Gegensatz zu Fabian versucht Labude sein Leben in geordnete Bahnen zu lenken, in dem er sich versteift. Seine Dissertation über Lessing soll ihm die Türen in ein sicheres Leben öffnen, die Eintrittkarte für ein gutbürgerliches Leben ohne Existentssorgen. Obwohl beide den gleichen Bildungsgrad haben, nehmen beide unterschiedliche Wege. Fabian nimmt sich die Freiheiten heraus, denen sich Labude durch Selbstdisziplin entzieht. Bis sich bei Labude die Ereignisse überschlagen und er nicht mehr Herr seiner Lage ist. Er sieht sich in einer Sackgasse und findet nur einen einzigen finalen Ausgang.

In dem Roman wird ein Querschnitt aller Milieus in Berlin Ende der 1920er Jahre beschrieben. Keineswegs verkopft, sondern frisch und frivol, mit enthemmten Figuren. Mit Figuren die ihrer Genusssucht nachgehen, sei es Sex, Spiel, oder Gewalt, oder alles zusammen auf einmal. Die allgemeine Wirtschaftskrise lässt Erich Kästner ein Szenario aufbauen, in das der ökonomische Faktor in alle Gesellschaftsschichten hinein kriecht. Der Sog nach unten wirkt wie ein Rauschmittel, der ureigenen Charakterzüge der Persönlichkeit verstärkt. Der eine wird letargisch, ein anderer wird zum egomanen, familiäre Bindungen werden übergangen, ausgenutzt, für den eigenen Vorteil gebraucht.

Fabian selber nimmt die äußeren Umstände hin wie sie sind, nutzt den Tag und die Nacht. Er erlebt menschliche Abenteuer mit Frauen, die mal mehr mal weniger fester Bindung sind. Er erlebt den bürokratischen Wahnsinn des Arbeitsamtes. Die Freudenhäuser seiner Umgebung wo junge und alte Dinger warten. Prostituierte allerlei Praktiken anbieten. Er lernt den alten Ingenieur kennen der mit einer Jahrhunderterfindung unterm arm auf der Flucht vor seiner eigenen Familie ist. Die zarten Triebe einer Liebe zu einer Referendarin, haben in Zeiten der Not keine Chance. So bleibt Fabian, zwar netter Mensch mit klarem Wissen doch angebrochenen Herzen, als ein durchweg sympathischer Held zurück, der seinen eigen Wegen nachgeht. Die lockere Körperschau und der selbstverständliche Umgang lesbischer Beziehungen innerhalb des Roman überraschen zwar, aber machen auch den natürlichen Charme des Romans mit aus. Zwischen den spaßigen Szenen, und der satirischen Kritik am System und der Zeit, kommen auch die ernsthaften Dialoge und die tiefgründigen Gedankenzüge die der Protagonist hat, nicht zu kurz. Die untergehende Sonne der Weimarer Republik wirft ihre dunkle Schatten. Die Pole zwischen Kommunismus und Faschismus ergeben ein hintergründiges Spannungsfeld dem der Protagonist Fabian ausgeliefert ist.

Fazit:
Erich Kästner gelingt es in einer hervorragenden Sprache, die ohne Worthülsen und auskommt, die Ängste und Nöte, Hoffnungen und Zweifel, des kleinen Mannes darzustellen. Das interessante für den heutigen Leser ist neben der fantastischen Sprache und genussvollen Darstellung der Geschichte mit all ihren bunten Charakteren, dass die Erlebnisse des Fabian heute wieder aktuell sind. Fabian – Die Geschichte eines Moralisten muss man gelesen haben.

Fakten:
Buchcover: Erich Kästner Fabian
Bild: Buchcover
Autor: Erich Kästner
Titel: Fabian - Die Geschichte eines Moralisten
Seiten:
Verlag: Atrium /CH; dtv /D
VÖ-Jahr: 1931