Denklatenz

Das Magazin

Eine Buchbesprechung.

Michael Hugentobler – Feuerland

Ein Wörterbuch das den Sprachschatz der Yamana, ein Volk aus Patagonien, in sich trägt und Kern des Roman Feuerland Michael Hugentobler von ist.

von René Buchfink

Der Plot

buchcover: feuerland
Buchcover: Hugentoblers "Feuerland"

Der Plot ist schnell erzählt, der fromme Pfarrer Georg Pekham aus Großbritannien zieht 1886 mit seiner Familie und seinen Ziehkindern nach Feuerland, an die stürmische Küste Südamerikas. Unter ihnen ist auch die Weise, und ehemalige Straßenkind Thomas Bridge. Ein Knabe der eine erstaunliche Sprachbegabung aufweist. Der missionarische Erfolg der Pekhams hält sich in Grenzen, die Yamana-Indianer können mit dem Christengott einfach nicht viel anfangen. Die Pekhams verlassen die Missionsstation bald wieder, Thomas Bridge jedoch bleibt auf eigenen wünsch dort zurück.

Sein Vater hatte ihm sein ganzes Besitztum hinterlassen: Kisten voller Pickel, Spaten, Besen, Rechen, Pflanhölzern, Erdschäufelchen, Baumsägen; Kisten voller Teller, Gabeln und Messer; dazu mehrere Bibeln und schließlich noch ein unbenutztes Kassenbuch mit blau-rot marmoriertem Einband.

Dieses Kassenbuch, mit seinen später, 25.000 Stichwörtern, mit Übersetzungen und Beschreibungen der Yamanasprache fällt dem Linguisten Prof. Hestermann in die Hände. Der Polyglote Hestermann erkennt sofort die Einzigartigkeit des Werks und verfällt dem Werk mit einer übersteigerten Zuneigung. Es ist 1938, er muss das Buch vor dem ungeist der Nazis schützen und in Sicherheit bringen. Dabei verfällt er ähnlich schon wie Thomas Bridge in einen wahnhaften Zustand.

Die Kritik

Feuerland ist mein erster Kontakt mit dem mir ansonsten unbekannten Schweizer Autor Hugentobler, ein Zufallsgriff von mir. Den Plott fand ich durchaus gut, nicht unbedingt Originell; Ein Buch vor den Schergen der Nazis in Sicherheit gebraucht werden. Die Konstrukte des Roman sind deutlich zu herauszulesen. Die Rahmenhandlung ist die mit Professor Hestermann, während der Zeit der Nazidikatur, und die Binnenhandlung ist jene mit Thomas Bridge, während Ende des 19. Jahrhundert, in Feuerland. Verbunden sind die beiden Teile durch einen namenlosen, erfolglosen Forschungsreisenden, der 1898 dem im sterben liegenden Thomas Bridge das Buch entwendet und für sein eigenes Werk ausgibt. Zurück London, hatte niemand auch nur annähernd Interesse an einen ausgestorbenen Volksstam am Ende der Welt. Enttäuscht und desillusioniert legt der Dieb das marmorierte Buch auf eine Parkbank ab, wo Hestermann es findet und ansich nimmt.

Die literarischen Figuren von Hestermann und Bridges, gibt es als historische Figuren tatsächlich. Wie im Roman Feuerland, war Hestermann wirklich Professor für Völkerkunde und vergleichende Sprachen in Münster. Er beschäftige sich auch mit den Yamana und hat zu Thomas Bridge Werke veröffentlicht. Was Hugentobler daraus macht ist allerdings in seiner Form eher mittelmäßig. Die bemühte Romankonstruktion ist deutlich spürbar, die zudem zahlreiche Unglaubwürdigkeiten aufweisest und oft nicht passt. So zum Beispiel lässt Thomas Bridge das Buch in London in etwa 1898 auf eine Parkbank in London liegen wo es von Hestermann gefunden wird. Der sechzigjährige Hestermann tritt aber erst 1938 in Erscheinung. Wann, wie und wo Hestermann zu dem Buch gekommen ist, verschweigt der Autor. Einzig, die Szenerie wird als Traum dargestellt. Ein zweites, eher kleines Detail das mich ungläubig die Stirn runzeln lies ist die Stelle über den zehntägigen Aufenthalt den Thomas Bridge, in England, hat. Während der Zehn Tage lernt er Mary kennenlernt, heiratet sie und geht mit ihr gemeinsam am 10. Tag nach Feuerland zurück. Das sind zwei für mich unglaubwürdige Konstruktionen.

Nun muss ein Roman nicht durch Glaubwürdigkeit bestechen, zudem die größere schwäche von Hugentoblers Feuerland die grobschlächtige Ausarbeitung der Figuren ist. Fast immer ist handelt es sich um eine Repetition bekannter Stereotypen. Wie z.B. der Nazistudent Fritz Hahn, der in schwarzen Stiefeln, gestärkter Schwarzer Hose und eine braunes Hemd mit ledernen Manschettenknöpfen beschrieben wird und …, seine sprachliche Intelligenz hatte er bewiesen, indem er allen möglichen Wörtern noch das Wort „Volk“ vorangestelt hatte: Ein Fest war ihm nicht nur ein Fest gewesen, sondern ein Volksfest, ein Fremder nicht nur fremd, sondern volksfremd, einen Gemeinschaft eine Volksgemeimschaft. Und wie sein großes Vorbild hatte er nie „neun Uhr“ gesagt, sondern immer „die Neunte Stunde“. So definiert Hugentobler alle Personen sehr klischeehaft. Die herzensgute und Vaterfigur Pater Schmidt, der fromme Pfarrer Georg Pekenhem, die beiden Naziprofessoren Pichelswerder und Schlaginhaufen als Verfechter der Rassenideologie sind plump und einfältig beschrieben – Rassenhygieniker wie aus dem Lehrbuch. Selbst Hestermann, Hugentoblers Held, wird meiner Meinung nach nur ungenügend beschrieben. Statt dem Helden ein inneres Profil mitzugeben, wiederholt Hugentobler zahllos oft, lieber dessen vier Fetische. Seidenpyjama, Lux-Zigaretten, Kaffee und Zwieback. In allem kann ich auch keine ironische Überhöhung im Text feststellen. Selbst dann nicht wenn Prof. Schlanginhaufen in der Schweiz in Knickerbocker, hohen Strümpfen und Wanderschuhen über den Homo alpinus helveticus referiert.

Wie man mit solchen Stoffen umgehen kann hat Michael Palin in Erebus (2019) eindrucksvoll gezeigt. Meiner Meinung nach, merkt man dem Autor seine literarischen Limitierungen an. Vielleicht sind andere oder zukünftige Werke von Hugentobler ganz anders, wer weis? Der Plot von Feuerland jedenfalls ist grob gezimmert und zusammengesteckt. Sprachlich wird hier nicht mit dem feinen Florett gefochten, sicher auch nicht nur mit Axt gearbeitet, aber ganz sicher ist Feuerland von der sprachlichen Ästhetik her überwiegend grob hobelt. Bildnisse die Hugentobler nutzt sind oft solide, aber selten besonders originell. Das der Autor „Anmerkungen zur Geschichte“ sich selbst und das Buch erklärt finde ich unfreiwillig komisch.

Fazit:

Kein Autor muss das Rad neu erfinden, Hugentobler macht es mit Feuerland sicher auch nicht. Die Stärke des Romans ist die Grundidee, die Schwächen jedoch sind unübersehbar. Die Konstruktion ist von der Veranlagung gut, vieles ist in Ordnung manches passt dann aber doch nicht zusammen. Insgesamt empfinde ich Feuerland, als einen mittelmäßig guten Roman, der vor allem durch die Stereotypen negativ auffällt. Die Sprache ist insgesamt eher einfach.


Fakten:
Autor: Michael Hugentobler
Titel: Feuerland
Seiten: ca. 224
Verlag: dtv - Verlagsgesellschaft
VÖ-Jahr: 2021