Denklatenz

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Eine Theaterkritik

Heinrich von Kleist: Penthesilea

Eine Theaterkritik über Kleists Penthesilea, im Maxim-Gorki-Theater in einer Vorstellung vom 26.10.2010

27. Oktober 2010

von René Buchfink

Das Maxim-Gorki-Theater (MGT) ist in einen alten Schinkelbau untergebracht, das in zweiter Reihe zwischen Humboldt-Hauptgebäude und versetzt neben dem Zeughaus liegt, mitten im kulturellen Zentrum der Stadt, unmittelbar am östlichen Ende von Unter den Linden. Im Erdgeschoss befindet sich eine große Empfangs- und Aufenthaltshalle, durch den klassizistischen Bau, bleibt die Atmosphäre dort genauso kühl wie draußen, aber anders als in anderen Häusern hat man dort Platz. Die Treppe hoch, gehts zum Großen Saal. Das ganze hat irgendwie Ähnlichkeiten mit dem Kino International, auf jeden Fall hat das MGT diese seltsame DDR-schöne Mischung aus Zweckdienlichkeit, Qualitätbewustsein, Linoleum und Marmor sowie roten Teppich. Als großgewachsener Mensch hat man einen guten Blick auf die Bühne und Darsteller, nur der Klang wird hinten etwas dünn.

Penthesilea (Heinrich von Kleist) hatte am 20.10.2010 am Gorki-Theater Premiere. Ich habe die Vorstellung am 26.10.2010 gesehen. Zur Handlung gibt das Beiblatt wie folgt Auskunft:

Auf dem Schlachtfeld stehen sich die Heere der Griechen und Trojaner gegenüber. Unter Führung der Königin Penthesilea rückt das Heer der Amazonen aus Kleinasien an. Nach dem Gesetz ihres Frauenstaates müssen die Amazonen sich ihre Männer im Kampf erobern und als Gefangene in die Hauptstadt führen, wo dann beim Rosenfest die Vereinigung stattfindet. Auf dem Schlachtfeld treffen sich Penthesilea, die Amazonenkönigin, und Achill, der Griechenheld, zum ersten Mal. Im Zweikampf unterliegt die junge Königin Achill und verliert das Bewusstsein. Als sie erwacht, macht er sie glauben, sie habe ihn besiegt. Doch der Betrug fliegt auf. Schließlich fordert Achill Penthesilea erneut zum Kampf um Leben und Tod heraus, um sich freiwillig besiegen zu lassen und in der süßen Gefangenschaft des Rosenfestes Penthesilea zu gewinnen. Doch Penthesilea verwandelt sich in eine Furie: Liebe und Tod werden eins im Rausch, Tod ist Erfüllung, die Welt ein Schlachtfeld. quelle: (MGT)
Bilder: Maxim-Gorki-Theater

Was bleibt? So geht man raus aus der durchaus gelungenen Vorstellung. Vielleicht ist es unbefriedigend mit einer Frage aus dem Hause gehen, aber hat nicht Theater die Aufgabe Fragen aufzuwerfen? Sicher, nur ist die Frage was bleibt? ist die falsche Frage, vielmehr müsste sie heißen, und Heute? Genau dahin ging auch die Interpretation von Kleists Stück. Eine abstrakte Version des alten Griechenland wird vom MGT in eine neue Welt gelegt. Die Figuren behalten zwar ihre antiken Namen, aber die Auseinandersetzung zwischen den Amazonen und Griechen könnte jeder andere Krieg der Gegenwart auch sein. Die dramaturgische Liebesbeziehung hat man, wie ich finde auf gute Art und Weise adaptieren können. Anja Schneider als Penthesilea und Michael Klammer als Achilles konnten in ihren Hauptrollen glänzen. Ich fand auch das hinzufügen der Audio-Visuellen Elemente gelungen. Es waren durchaus sprechende Beiträge. Auch die Mischung von dramatischen und komischen Elementen fand ich gut. Und wenn sich die Amazonen im Cheerleaden versuchen, dann finde ich das durchaus erheitern. Das ist nur ein Beispiel wie das MGT Aspekte der Tragödie in die heutige Zeit wirft und somit für den Zuschauer eine Relevanz bekommt.

Und Heute? Wie stellen sich Liebesbeziehungen zwischen zwei Welten heute dar? Die Inszenierung erinnerte mich an die versteckten Ecken im Schulhof. Die Mädelsgang auf der einen die Jungsgang auf der anderen Seite. Wen sich dann noch die Kampferprobten Anführer verlieben, dann erinnert es leicht an ein bekanntes Musical. Wie dem auch sei, wenn die Liebe unter schlechten Sternen steht, welche Chance gibt ihnen die eigene Gesellschaft? Und so spannt sich der Bogen von der Antike hinüber ins Heute. Einzelne Details zu zeigen gelang dem Ensemble zwar nicht richtig, aber im großen und allgemeinen Verstand man die Geschichte aber trotzdem. Über zwei Stunden Unterhaltung mit einer Pause, machten trotz kurzer Hänger vergnügen.

Fazit:
Ein gelungener Theater-Abend, nicht mehr und nicht weniger. Eine Inszenierung die nicht überragend ist, die aber aller Ehren und die Applaus verdient. Wer eine moderne Penthesilea-Inszenierung sehen will, der kann ruhig einen Sitz im MGT buchen. Ist ja auch nur begrenzt teuer.

Fakten:
Autor: Heinrich von Kleist
Regie: Felicitas Brucker
Dramaturgie: Jan Kauenhowen, Carmen Wolfram
Schauspieler:
  • Penthesilea: Anja Schneider
  • Prothoe: Julischka Eichel
  • Meroe: Ninja Stangenberg
  • Oberpriesterin: Nele Rosetz
  • Achilles: Michael Klammer
  • Odysseus: Wilhelm Eilers
  • Diomedes: Christian Kuchenbuch
  • Ein junger Offizier: Albrecht Abraham Schuch
    Inszenierung vom: 16.10.2010
    Webseite: www.gorki.de