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Buchrezension

Byung-Chul Han: Transparenzgesellschaft

17. November 2013

von René Buchfink

Byung-Chul Han ist 1959 in Südkorea (Soul) geboren. Derzeit lehrt er Philosophie und Kulturwissenschaft an der Universität der Künste (UdK) Berlin.

Transparenz tönt es immer. In beinahe jeder politischen Debatte geht es früher oder später um den Kampfbegriff Transparenz. In der lauten beinahe hysterisch geführten Diskussion um unsere gegenwärtige Gesellschaft und Kultur ist Han eher einer der leise und beständig, aber unnachgiebig seine Worte in den Wind flüstert. Leise Worte die, zwischen den Brüllstürmen medialer Zirkuslöwen wie z.B. Sascha Lobo, in das Ohr und Hirn aufmerksammer Zuhörer dringen. Als Philosoph träg Han zur Ontologie der Gegenwart bei. Er erzählt von der Pikosekunde des Heute und stellt sie als Bruchteil einer ganzen Menscheitsstunde dar. Mit seinen Werken positioniert sich Han gegen einen vorbeirauschenden und hyperaktiven Zeitgeist.

In Transparenzgesellschaft stellt Han eines voran, den Unterschied zwischen Negativität und Positivität. So positioniert er sich unmissverständlich auf die Seite der Negativität (nicht mit Böse zu verwechseln). Mit Negativität meint Han, das Gegenteil von durchsichtig, also dem intimen, dem nicht offen sichtbaren. Aus dieser ambivalenten Spannung der beiden Pole heraus, ergeben sich Zartheit, Vertrauen, Erotik, Denken. Bei der Positivität, wo es keine verdeckten Elemente gibt, gibt nur naktes Wissen aber kein vertrauen, keine knisternde Erotik sonder nur obszönes, naktes Porno.

In den vorderen Kapiteln der Schrift: Positivgesellschaft, Ausstellungsgesellschaft, Evidenzgesellschaft, Pornogesellschaft zeichnet er die Charakteristika der Positivtät ab. Unter anderen bezieht er sich auf Walter Benjamins und Martin Heideggers Anschauungen zur Positivität. In den späteren Kapiteln wie Anschauungsgesellschaft, Informationsgesellschaft oder Beschleunigungsgesellschaft verknüpft Han die Wesenszüge mit aktuellen gesellschaftlichen Phänomenen wie die „Pornographische Zurschaustellung“ oder „Hyperkommunikation“. Han stellt zudem einen geradliniegen Zusammenhang zwischen, der Transparenzgesellschaft, also Informationsgesellschaft, Pornogesellschaft mit der Konsumgesellschaft unserer Zeit her. Er zeigt auf wie unsere nakten Informationen für kapitalistische Interessen von nutzen sind.

Wo Transparenz herrscht, da ist kein Raum für das Vertrauen vorhanden. Statt ‚Transparenz schafft Vertrauen‘ sollte es eigentlich heißen: ‚Transparenz schafft vertrauen ab.‘ […] Die Transparenzgesellschaft ist eine Gesellschaft des Misstrauens und des Verdachts, die auf Grund des schwindenden Vertrauen auf Kontrolle setzt.

Byung-Chul Hans Büchlein ist mehr oder weniger ein langer Essay. Han beschreibt überwiegend die effekte der Positivität und die Nachteile die damit einhergehen, damit versucht er oftmals gleichzeitig Effekte der Negativität aufzuzeigen, aber ohne sie jedesmal explizit zu erwähnen. Insgesamt ist Transparenzgesellschaft ein sehr wichtiges und interesanntes Werk in der anhaltenen Diskusion um mehr Transparenz. Bis auf den Bezug zur Erotik und des Denken zeigt das Werk jedoch eher weniger auf, wo Positivität oder Negativität angebracht sei, gleich wohl er sehr stark für Negativität plädiert.

Die Transparenz stabilisiert und beschleunigt das System dadurch, dass sie das Andere oder das Fremde eliminiert. Dieser systemische Zwang macht die Transparenzgesellschaft zu einer gleichgeschalteten Gesellschaft. Darin besteht ihr totalitärer Zug: ‚Neues Wort für Gleichschaltung: Transparenz‘.
Heute entwickelt sich der ganze Globus zu einem Panoptikum. Es gibt keine Außerhalb des Panoptikums. Es wird total. Keine Mauer trennt das Innen vom Außen. Google und soziale Netzwerke, die sich als Räume der Freiheit präsentieren, nehmen panoptische Formen an. Heute vollzieht sich die Überwachung nicht, wie man gewöhnlich annimmt, als Angriff auf die Freiheit. Man liefert sich vilemehr freiwillig dem panoptischen Blick aus. Man baut geflissentlich mit am digitalen Panoptikum, indem man sich entblößt und ausstellt. Der Insasse des digitalen Panoptikums ist Opfer und Täter zugleich. Darin besteht die Dialektik der Freiheit. Die Freiheit erweist sich als Kontrolle.

Weblinks

Gert Scobel Interviewt Byung-Chul Han in Berlin. (November 2013)


quelle: http://www.3sat.de/ | podfiles.zdf.de

Fakten:
Transparenzgesellschaft.jpg
Autor Byung-Chul Han
Titel: Transparenzgesellschaft
Seiten: ca. 91
Verlag: matthes & seitz berlin
VÖ-Jahr: 2012