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Tiergenetik:

Am Anfang stehen die Patente

Gentechnisch veränderte Tiere erkranken schnell und sind schwer verkäuflich. Doch viele Labors arbeiten an neuen Verfahren und wollen damit die Viehzucht weiter industrialisieren.

14. Januar 2017

von Christoph Then

Die ersten gentechnisch veränderten Säugetiere entstanden noch vor den ersten Gentechnikpflanzen. 1974 wurde zum ersten Mal über erfolgreiche Versuche mit Mäusen berichtet, 1985 gab es erste Meldungen zu Schafen und Schweinen. Während sich solche Mäuse und auch Ratten inzwischen massenhaft in den Laboren finden, sind die meisten Projekte im Bereich Landwirtschaft gescheitert.

Gründe dafür sind fehlende Akzeptanz, Tierschutz- und auch technische Probleme. Nur ein Projekt wurde bis zur Marktreife entwickelt: Lachs, der aufgrund einer Genmanipulation besonders schnell wächst und 2015 in den USA, 2016 in Kanada zum Verzehr zugelassen wurde. Den Fisch, der bisher noch nicht vermarktet wird, hat die kanadische Firma AquaBounty Technologies entwickelt. Sie beantragte schon 1992 ein entsprechendes Patent, das 2001 in Europa erteilt wurde. Das Patent ist inzwischen erloschen, die Firma AquaBounty stand kurz vor dem Bankrott – bevor die US-Firma Intrexon sie aufkaufte.

Intrexon gehört zu den Unternehmen, die derzeit einen neuen Anlauf unternehmen, um die Gentechnik bei Nutztieren einzuführen. Die Firma im US-Bundesstaat Virginia gehört dem Milliardär Randal J. Kirk, unterhält die Web-Adresse www.dna.com und hat Patente angemeldet, in denen manipulierte Mäuse, Ratten, Kaninchen, Katzen, Hunde, Rinder, Ziegen, Schweine, Pferde, Schafe, Affen und insbesondere Schimpansen als Erfindung beansprucht werden. Sie hat Firmen wie Trans Ova Genetics und ViaGen aufgekauft, die auf das Klonen von Zuchtbullen spezialisiert sind. Das von Intrexon übernommene britische Biotechnologie Unternehmen Oxitec entwickelt Insekten mit erwünschten Eigenschaften und Äpfel, die nicht mehr braun werden. Intrexon ist weltweit die einzige Firma, die in nächster Zeit mit ihrem Turbo-Lachs tatsächlich ein gentechnisch verändertes Nutztier auf den Markt bringen könnte. Alsbald wird auch Recombinetics in der Lage sein, Anträge auf Zulassung zu stellen. Diese Firma aus Minnesota, einem Zentrum der US-Fleischindustrie, hat bereits Patente angemeldet. Recombinetics arbeitet an Tieren, die mehr Milch und mehr Fleisch produzieren, an Kühen ohne Hörner – um sie einfacher halten zu können – und an Rindern, die nicht mehr geschlechtsreif werden. Die „Terminator-Tiere“ würden nur gemästet, wären aber unfruchtbar. Im Mittelpunkt der Forschung steht das Gen-Editing. Die Erbsubstanz DNA wird im Labor neu zusammengesetzt und mithilfe von sogenannten DNA-Scheren (Nukleasen) an bestimmten Stellen im Erbgut eingebaut. Der Ansatz, bei dem einzelne Schritte noch ganz neu sind, ist billiger und zielgenauer als das bisherige Schrotschussverfahren, bei dem es keine Kontrolle über den Ort gibt, an dem das neue Gen ankommt.

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Bild: "Atlas Manufaktur" von unter CC BY 4.0

Allerdings treten auch beim Gen-Editing an den Tieren Nebenwirkungen auf. Unteranderem sollen es solche neuen Verfahren ermöglichen, auch gentechnische Veränderungen herbeizuführen, die kaum noch zu erkennen sind. So orientiert sich Recombinetics an genetischen Varianten, die auch in der konventionellen Zucht vorkommen, und will so die Muskelmasse von Schweinen, Rindern und Schafen erhöhen. Die Vorlage dazu liefert die Rinderrasse „Weißblaue Belgier“, die wegen eines Gendefekts ein so übermäßiges Muskelwachstum aufweist, dass die Kühe regelmäßig Schwergeburten erleiden – etwa 90 Prozent der Kälber werden per Kaiserschnitt entbunden. Bei Schweinen führt Gen-Editing ebenfalls zu erheblichen gesundheitlichen Problemen. Viele Tiere sterben schon bei der Geburt oder bald danach, andere erleiden als unerwartete Folge des Umbaus im Erbgut Schäden an Organen und Gelenken, weil niemand alle Wechselwirkungen voraussehen kann.

Insgesamt sollen die Nutztiere per Gentechnik noch stärker auf die Interessen der industriellen Tierhaltung ausgerichtet werden. Getrieben wird die Entwicklung auch von neuen Geschäftsideen. So kann mit den Gentechniktieren auch das Patentrecht in den Kuh- und Schweinestall einziehen. Dann darf beispielsweise der Landwirt seine Kuh zwar noch melken, aber deren Nachkommen nicht mehr für die Zucht verkaufen.

Mit einem Umsatz von derzeit einer Million Dollar jährlich ist die 2008 gegründete Recombinetics noch klein. Aber sie hat von privaten Financiers allein 2016 fast zehn Millionen Dollar Kapital erhalten. Auch ein ganz Großer ist an Bord: Der britische Konzern Genus ist ein Recombinetics-Kunde. Mit einem Umsatz von umgerechnet 450 Millionen Euro gehört Genus zu den weltgrößten Unternehmen für Schweine- und Rindergenetik und ist zudem weltgrößter Anbieter von Zuchttieren für die Aquakultur mit Shrimps. Genus würde wohl zu den ganz großen Gewinnern des Gen-Editings gehören, wenn die traditionellen Züchter nicht mehr mit der neuen Konkurrenz mithalten können und Großfarmer sowie Verarbeiter ihre Zurückhaltung aufgeben.

Landwirte, die auf Gentechniktiere verzichten wollen, könnten auch bald keine Wahl mehr haben. Würden etwa Gentechnikschweine mit Resistenz gegen die afrikanische Schweinepest auf den Markt gebracht, müsste nach den üblichen Verfahren der Seuchenbekämpfung möglicherweise die ganze Nutztierpopulation ausgetauscht und durch patentierte Tiere ersetzt werden. Denn die neuen Schweine würden zwar nicht mehr erkranken, jedoch weiterhin das Virus übertragen. Weil sie nicht mehr daran sterben, könnte sich die Seuche rasch ausbreiten und dann Betriebe mit traditioneller Produktion besonders treffen. Dies wiederum könnte die Schweinehalter zum Umstieg auf resistente Schweine zwingen. Gentechnikfreie Schweinehaltung würde dann möglicherweise unmöglich. Und um eine Ausbreitung des Virus zu verhindern, könnte die Seuchenpolitik sogar verbieten, Tiere zu halten, die nicht resistent sind.

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Bild: "Atlas Manufaktur" von unter CC BY 4.0

Für Rindermäster lohnen sich Gentests für einzelne Tiere nicht, weil auch die profitableste Selektion die Kosten des Gentests nicht deckt – noch nicht.

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Bild: "Atlas Manufaktur" von unter CC BY 4.0

Der Umbau des Erbgutes von Nutztieren führt zu Schädigungen und Erkrankungen. Dennoch träumt die Kundschaft der Labors weiterhin vom resistenten Vieh.

Quellen:

Der Artikel "Tiergenetik: Am Anfang stehen die Patente" von Christoph Then, herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung erschien im Konzernatlas - Daten und Fakten über die Agrar- und Lebensmittelindustrie. Veröffentlicht unter CC-BY 4.0